von Katrin Reichelt & Prof. Dr. Ingrid Gerhard, Expertin für unerfüllten Kinderwunsch
Vor nicht einmal einem halben Jahrhundert hatten junge Paare zu Beginn ihrer Liebe nur eine Sorge: aus Versehen schwanger zu werden. Heute ist es umgekehrt. Nach langem, vergeblichem Sehnen und Hoffen auf ein Baby sind die Sprechstunden für unerfüllten Kinderwunsch voller als je zuvor. Empfängnis wird zunehmend zum Problem. Es vergehen oft Jahre, bis eine Schwangerschaft überhaupt entsteht, und oft scheint die ICSI-Methode im Rahmen einer künstlichen Befruchtung die letzte Rettung zu sein. Der Grund dafür sind keineswegs nur die insgesamt späteren Schwangerschaften. Die Ursachen liegen vielmehr in einer Vergangenheit, die zunächst wie ein großer fortschrittlicher Schritt in die Zukunft aussah.
GENERATION PLASTIK: Die scheinbaren zivilisatorischen Errungenschaften der 60er und 70er Jahre – Kunststoffe und Plastik in jeder Form und Farbe – haben hinter den Kulissen zunächst unbemerkt eine stille Katastrophe ausgelöst.
Prof. Dr. Ingrid Gerhard, eine der führenden Expertinnen Deutschlands für unerfüllten Kinderwunsch, hat im Laufe ihres Lebens über 120.000 Frauen durch diese Zeit begleitet. Sie ist Verfechterin der Naturheilkunde und der Lebensstilveränderung, bevor ein Paar zu großen hormonellen Interventionen greift. Ihr Fazit: "Damit kann man viel erreichen. Wenn die organischen Ursachen der Unfruchtbarkeit unklar sind, sind die Ergebnisse gegenüber einen Hormontherapie gleich gut – nur ohne die ansonsten beträchtlichen Nebenwirkungen. Wenn die Frau gesund ist, die Samenbefunde des Mannes jedoch schlecht, kann man z. B. mit Akupunktur, Homöopathie, Pflanzenheilkunde und vielen anderen maßgschneiderten Maßnahmen Verbesserungen erzielen."
Im neuen Buch von Fernsehmoderatorin Dr. med. Franziska Rubin (s. u.) beschreibt sie neben den aktuellsten medizinischen Fakten ausführlich, welches der Naturheilverfahren welche Situation im einzelnen verbessern kann und wie Homöopathie im Vergleich zu hormoneller Stimulation abschneidet.
Auf die Dresdener Steinzeitrede von Sibylle Lewitscharoff, in der diese Reproduktionsmedizin für abartig und Retortenkinder zu Halbwesen erklärte, antwortete Franziska Rubin voller Zorn, den sie vermutlich mit Zigtausenden von betroffenen Eltern teilt:
"Nach der Dresdener Rede bleibt mir als junger Mutter von wunderbaren Kindern, die ich ohne den Segen der Reproduktionsmedizin vermutlich nie lachen hören würde, vor Wut und Entsetzen der Mund
offen stehen. Meine Oma pflegte in solchen Situationen zu sagen: 'Die sollte sich was schämen', aber mich gruselt es.
Statt Offenheit zu fördern, mit einem Tabuthema aufzuräumen und junge Eltern zu motivieren, die vielen Möglichkeiten zu nutzen, damit statt Gram vielleicht ein kleines Wunder, ein Kind entsteht,
schafft sie neue Ressentiments.
Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass auch junge Paare Probleme mit dem Kinder kriegen haben können, wie andere Zahnweh oder Ischias, leben wir in einer Welt, in der Kinder immer noch
einen ernsthaften Einschnitt in die Karriere einer Frau bedeuten. Deshalb entscheiden sich insbesondere so viele Akademiker gegen Kinder. Wer studiert hat und seine Berufung im Job gefunden hat, ist
nicht mehr 25. Und ab hier geht's schon bergab mit der Fertilität. Wir, unsere Gesellschaft haben die Bedingungen geschaffen, die viele Frauen zu sogenannten alten Müttern machen und jetzt sollen wir
uns nicht helfen lassen?
Es gibt vielfältige Wege der Kinderwunschtherapie, alternativ, mit Achtsamkeit oder ganz medizinisch. Oder alles zusammen. Egal, das wenigste ist wirklich nachgeholfen und das meiste macht dann
doch die Natur. Aber dieses wenige braucht es manchmal und es ist nichts verwerfliches, sich helfen zu lassen, sondern wunderbar.
Sie traue sich selbst nicht über den Weg, sagt sie. Das kann ich verstehen. Sollte sie jemals stürzen auf ihrem Weg und sich den Oberschenkelhals brechen, braucht sie ja dann auch kein
"verwerfliches Novum der Geschichte", also zum Beispiel eine moderne Kurzschaftprothese aus Keramik. Da reicht dann hoffentlich auch eine Vernagelung von außen, wie vor 50 Jahren? 'Man wird ja wohl
noch sagen können, was man denkt', fordert Sibylle Lewitscharoff. Nein, darf man nicht, wenn es so menschenverachtend ist!"
Franziska Rubin
DIE BETROFFENE
Unerfüllter Kinderwunsch und der Wettlauf gegen die zahllosen Faktoren, die eine Empfängnis vereiteln: Ein neues weltweites Tabu, ähnlich den Schönheitsoperationen. Hinter dem Schweigen steckt oft ein Schamgefühl, das eigentlich nicht nötig sein müsste. Das Anliegen von Dr. Franziska Rubin ist es, die Kinderwunschtherapie salonfähig zu machen, sich als Prominente zu diesem Thema zu bekennen und von ihren Erfahrungen zu berichten. Dabei spielt die sanftre Medizin, wie immer in ihrem Leben, eine zentrale Rolle. Sie hat fünf Jahre gebraucht, bis ihre Zwillinge zur Welt kamen. Und dann passierte das nächste Wunder: ihre kleinste Tochter kam anderthalb Jahre später noch hinterher, einfach so. Sie erzählt ihre ganz persönliche Geschichte, ihre Höhen und Tiefen und gibt darüber hinaus wertvolle Tipps und Anregungen für Frauen, die sich in der Kinderwunschzeit befinden. "Von Null auf Drei", Südwest Verlag, 19,99 Euro
DIE KINDERWUNSCH-EXPERTIN
"Frauen wissen genau, was ihnen gut tut. Sie vertrauen sich nur nicht. Selbst bei Fehlgeburten oder unerfülltem Kinderwunsch wussten sie immer intuitiv, woran es lag. Frauen müssen lernen, das für sich zu fordern, was sie für sich als richtig erachten." Prof. Dr. Ingrid Gerhard
Mehr zum Thema, was man aus medizinischer Sicht tun kann und tun sollte, lesen Sie in den Büchern von Prof. Dr. Ingrid Gerhard – "Die neue Pflanzenheilkunde für Frauen", Zabert Sandmann - und in dem großen Frauenratgeber von Katrin Reichelt und Dagmar Uhl, "Die 9 großen Frauenmittel der Homöopathie", GU.